Anja Grundner: Wann wurde dir klar, dass du eine eigene Tanzausbildung ins Leben rufen magst? War es ein einzelner prägender Moment oder ein Prozess des Wachsens ?
Sabine Parzer: Ich habe wahrscheinlich 10 Jahre lang darüber nachgedacht, ein eigenes Trainingsprogramm zu erstellen, bevor ich mein eigenes gestartet habe... da ich im Laufe der Jahre von verschiedenen LehrerInnen und TrainerInnen beeinflusst wurde, habe ich gemerkt, dass es mir am meisten Freude macht, wenn die Leute wirklich ihren eigenen Mix aus Methoden/Formen kreieren, das fühlt sich für mich am authentischsten an... viele Gespräche mit KollegInnen haben auch geholfen zu verstehen, was es braucht, um ein Konzept über einen längeren Zeitraum zu schreiben und zu halten.
Was hat dich dazu bewegt das Holistic Dance Teacher Training zu formen und anzubieten?
Im Jahr 2005 begann ich in offenen Workshops das zu unterrichten, was später „Holistic Dance“ wurde, eine Zusammenstellung von Methoden und Formen, die mich stark inspiriert und beeinflusst haben. Irgendwann wurde ich von meinen TeilnehmerInnen gebeten, eine LehrerInnenausbildung anzubieten, die 2010 in Zagreb zum ersten Mal stattfand. Zu diesem Zeitpunkt gründete ich auch mein Holistic Dance Institute, um den Unterricht ein Zuhause zu geben. Da ich zu diesem Zeitpunkt bereits 10 Jahre lang im Rehabilitationszentrum in Österreich unterrichtet hatte, wollte ich eine leicht zugängliche Ausbildung für Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen anbieten, weil ich sah, wie heilsam Bewegung, Tanz, Ausdruck, Arbeit mit Körperbewusstsein, einfache Choreografien und Beziehung durch Bewegung für die Menschen waren. Als professionelle Tänzerin und Choreografin war ich so berührt von der Wirkung, die ich hatte, wenn ich mit denselben Prinzipien arbeitete, in denen ich ausgebildet worden war, und sie auf eine Vielzahl von Menschen mit unterschiedlichem sozialem, wirtschaftlichem und beruflichem Hintergrund, mit verschiedenen Verletzungen, Krankheiten, Einschränkungen und Lebensumständen anwendete. Ich hatte das Gefühl, ein Training anbieten zu können, das nicht nur im Kunstkontext, sondern in vielen verschiedenen beruflichen Kontexten nützlich sein und Menschen helfen könnte, Zugang zu ihrem BodyMind zu finden.
Inwiefern unterscheidet es sich von vielen anderen Tanzausbildungen?
Ich denke, dass die Improvisationsformen, mit denen wir arbeiten, zu einer offenen Haltung einladen, um im gegenwärtigen Moment zu sein, mit dem zu arbeiten, „was ist“, und zu akzeptieren, dass wir alle gleichzeitig scheitern und erfolgreich sind. Das Holistic Dance Teachers Training bietet einen Ansatz für die Arbeit mit den zugrundeliegenden Prinzipien, nicht mit einer Methode. Wir praktizieren Bewegungs- und Beziehungsprinzipien wie Zuhören, Ich-Sprache, Zeugschaft, Beziehung zur Schwerkraft, Reaching/ Verlängern, Teilen von Gewicht, Berührungsqualitäten, Kommunikation von Grenzen und vieles mehr, um die gemeinsame Basis und den individuellen Ausdruck in jeder Person und Gruppe zu finden. Die TeilnehmerInnen kommen aus verschiedenen Berufsfeldern wie Kunst, Sozialarbeit, Körperarbeit, Coaching, Therapie und Medizin, und die Altersspanne reicht von Anfang zwanzig bis Ende sechzig. Dies sorgt für ein integratives und interaktives Umfeld, in dem unterschiedliche Lebensumstände und Erfahrungen zusammenkommen.
Was soll die Ausbildung im Leben der Teilnehmer*innen vielleicht verändern oder was darf die Ausbildung spür- und wahrnehmbar machen?
Ich habe im Rahmen des Teachers Truing und des Advanced Teachers Training wunderschöne Individuationsprozesse erlebt. Natürlich steht für die meisten Menschen die berufliche Anwendung im Vordergrund (obwohl die TeilnehmerInnen nicht wissen müssen, ob sie unterrichten wollen und das Training nur zur Selbsterfahrung machen können), aber der allgemeine Entwicklungsbogen ist der der Selbstsicherheit, des Gefühls der Authentizität, des Wagemuts, für ihre Grenzen und Gaben in der Welt einzustehen, eines stärkeren Sinns für Verkörperung und deren Bedeutung in allen Lebensbereichen.
Was bewirkt die Ausbildung bei dir selbst, nach mehreren Jahren Unterrichtstätigkeit?
Das Geschenk an dieser Arbeit ist, dass sie immer mehr Tiefe entfaltet. Ich lerne immer weiter und tauche tiefer ein in die unendlichen Möglichkeiten kreativer Erkundungen, verschiedener somatischer Formen, neuer Erkenntnisse in Wissenschaft und Therapie wie der Polyvagaltheorie und der Forschung über Berührung und ihre heilende Wirkung. Und natürlich ist jede einzelne TeilnehmerIn ein Geschenk für mich, keine ist gleich, kein Prozess ist gleich und ich bin immer wieder beeindruckt von der Fähigkeit der Menschen, zu wachsen und ihre Talente zu entfalten. Wirklich ein großes Geschenk!
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