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das was in dir ist hervorbringen

„Die Wahrheit scheint nach Ausdruck zu verlangen. Die uneingestandene Wahrheit raubt dir Energie und hält dich und deine Figuren auf Trab und im Wahn. Aber wenn man die Schranktür öffnet und das, was im Inneren war, herauslässt, kann man einen Rausch der Befreiung und sogar Freude erleben. Wenn wir dem gnostischen Thomas-Evangelium Glauben schenken dürfen, sagte der alte Onkel Jesus: „Wenn du das, was in dir ist, hervorbringst, wird das, was du hervorbringst, dich retten. Wenn du nicht hervorbringst, was in dir ist, wird das, was du hervorbringst, dich zerstören. - Anne Lamott, „Bird by Bird“


Wie so oft zu Beginn eines neuen Jahres scheint es eine gute Idee zu sein, etwas Neues anzufangen oder etwas hinter sich zu lassen, sich zu bemühen, uns neu zu erfinden. Es scheint, als müsse man etwas tun, sich in jemanden anderes zu verwandeln, um Erfolg zu haben, oder eine Umgestaltung vornehmen, die alle unsere Probleme lösen wird.


Wie wäre es, wenn wir, anstatt uns neu zu erfinden, uns einfach erlauben, mehr wir selbst zu sein? Uns mit unserer ehrlichen Meinung, unseren wahren Gefühlen und lang verborgenen Sehnsüchten zu zeigen? Wie wäre es, wenn wir zulassen würden, dass die schlechte Laune, in die wir manchmal geraten, zum Treibstoff für schlechte Zeichnungen wird? Wie wäre es, wenn wir ein nahestehendes Familienmitglied nicht beschwichtigen, sondern „frei von der Leber weg“ reden? Was würde dann passieren? Wenn wir das, was in uns steckt, zum Vorschein bringen, woran uns Anne Lammott erinnert, wenn wir unsere Wahrheiten aussprechen, zu unserer Lieblingsmusik tanzen, ein Foto von dem machen, was uns inspiriert, oder die Linie ziehen, die gezogen werden muss (im übertragenen oder wörtlichen Sinne), was würde dann passieren?Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Anne spricht über Figuren in ihren Romanen, die sie aus dem Schrank lässt, weil sie sonst seltsam oder wahnhaft werden. Wie wäre es, wenn wir aus unserem Schrank kommen, damit wir nicht seltsam oder wahnhaft werden oder eingefroren oder frustriert oder passiv-aggressiv oder grantig oder oder oder....


Ich hatte das große Glück, in den letzten zwei Jahren von Robert Augustus Masters zu lernen, und er sagte mir in einer unserer Einzelsitzungen, ich solle „durch mein Schreiben tanzen“. Mein innerer Kritiker liebt es, mir alle möglichen sarkastischen Botschaften zu schicken, weil ich schreiben will. Meine Lieblingsbotschaft ist: „Ach so, du hältst dich jetzt für eine Schriftstellerin!“ Mein innerer Kritiker heißt Zeus, er ist ein grauhaariger, akademischer Literaturprofessor an einer deutschen Universität und er riecht nach Schuppen. Ich habe noch eine andere Kritikerin, die manchmal auftaucht (großartig, ich habe zwei!), ihr Name ist Becky. Sie ist eine Hausfrau mittleren Alters mit drei Kindern in einem Vorort von Chicago, ihr Haus ist immer sauber, sie hat den perfekten Haarschnitt inklusive Make-up und sie hat alles unter Kontrolle.


Zeus tauchte letztes Jahr während Roberts Shadow Work Training auf. Becky gibt es schon lange, ich habe sie so genannt, als ich vor etwa 25 Jahren an dem Buch „Der Weg des Künstlers“ von Julia Cameron arbeitete. Beide Robert und Julia schlägen vor, die Details unserer inneren Kritikerin herauszuarbeiten, um sie zu visualisieren, direkte Gespräche mit ihr zu führen und ihr die Stirn zu bieten. Mir hilft es wirklich, a) zu erkennen, dass diese Kritikerin ein Teil von mir ist und Wert hat, b) dass ich sie gerne auf andere projiziere (vorzugsweise auf diejenigen, die ähnlich aussehen und auch so sprechen), c) dass ich mit ihr verhandeln kann, d) dass ich mich von ihr auch befreien kann, solange ich a) anerkenne, dass sie ein Teil von mir ist und dass sie einen Wert hat.


In einem Interview mit Anne Lamott sagte sie, dass sie ihren inneren Kritiker, bevor sie sich zum Schreiben hinsetzt, für drei Stunden in eine schöne, gut beleuchtete Bibliothek schickt, mit der Erlaubnis, danach wieder zurückzukommen. Oder auf eine wirklich schöne Segelbootfahrt auf dem Meer. Oder ein Blind Date mit einem gut aussehenden, intelligenten Mann. Was auch immer für dich passt, denke ich.


Hier ist also mein Vorsatz für das neue Jahr...meine innere Wahrheit, meine innere Künstlerin überall, jederzeit und auf jede Weise zu nähren. Komm, mach mit.



Auseinanderfalten

Robert Augustus Masters - https://www.robertmasters.com

Julia Cameron - Der Weg des Künstlers

Anne Lamott - Bird by Bird


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